Vorwort der Herausgeber
Der Fotograf im Priesterrock steht am südlichen Eingang des zerstörten Doms. Er blickt zum Bischofshaus und sieht etwas, das
er gar nicht sehen dürfte: den Turm der Überwasserkirche. Denn vom Bischöflichen Palais ist nicht mehr übrig als ein Trümmerhaufen: Eine bedrückende und faszinierende Perspektive zugleich.
Als wir kurz nach Eröffnung des „Institutes für die Geschichte des Bistums Münster“ im Dezember 2004 die Bilder, die
Heinrich Börsting in den Jahren 1943 bis 1945 von der Bischofsstadt gemacht hatte, von seinem Neffen, Karl Schulze Althoff, das erste Mal gezeigt bekamen, waren wir sprachlos: Bilder in einer unglaublichen
Eindringlichkeit und in einer einmaligen Intensität. Umso erstaunlicher ist, dass die Fotos des ehemaligen Diözesanarchivars bis auf wenige Ausnahmen bislang nicht nur nicht veröffentlicht, sonder sogar
unbekannt geblieben sind. Eine mögliche Erklärung dafür dürfte in der Person Heinrich Börstings selbst liegen. Einem alten traditionsbewussten Bauerngeschlecht entstammend, charakterisierte der Historiker Alois
Schröer Börsting als „stammesbewusst, eigenwillig, leicht verwundbar und unnachgiebig bis zur Kompromisslosigkeit“. Vielleicht nicht zuletzt deshalb überwarf er sich Anfang der 40er Jahre mit Bischof von
Galen, der fortan Bilder einer anderen Fotografin bevorzugte. Dies führte letztlich dazu, dass Börsting seinen Fotoschatz – Bestehend aus einigen tausend Negativen – achtlos im Schreibtisch seiner
Dunkelkammer liegen liess. Er war zutiefst darüber enttäuscht, dass keines seiner Bilder vom zerstörten Dom „gut genug für die Bildergalerie hinten im Dom“ war. Nur durch die Umsicht seines Neffen
konnten die Fotos nach dem Tod Börstings im Jahr 1969 beim Entrümpeln vor einer endgültigen „Entsorgung“ gerettet werden.
Die Aufnahmen des vorliegenden Bandes dokumentieren die Zerstörung Münsters im Zeitraum vom 10. Oktober 1943 bis zum April
1945. Bislang waren zumeist nur Aufnahmen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit bekannt. Das besondere an den Bildern ist ihre zeitliche Nähe zum jeweiligen Angriff: Heinrich Börsting versuchte mit seiner Leica
teilweise noch während des Fliegeralarms die verheerenden Wirkungen der Bomben festzuhalten. Dabei ging der gehbehinderte Mann nicht unerhebliche Risiken ein, zumal das nicht autorisierte Fotografieren während
des Dritten Reichs verboten war.
Um die Fotos selbst sprechen zu lassen und ihre besondere Qualität zu unterstreichen, wurden sie bewusst nur mit den
notwendigsten Kommentaren versehen. Viele der Bildunterschriften und begleitenden Texte stammen zudem aus zeitgenössischen Berichten oder Chroniken. So ist ein Bildband entstanden, der die Betrachter
zurückversetzt in eine Zeit, die sich heute viele schon fast nicht mehr vorstellen können. Wer die Bilder Börstings betrachtet, der wird eine Vorstellung bekommen – vom Grauen des Bombenkrieges, von den
Folgen der Zerstörung, aber letztlich auch von den Leistungen des Wiederaufbaus.
Ohne die unkomplizierte Zusammenarbeit und das grosse Engagement Vieler hätte dieser Band in so kurzer Zeit nicht entstehen
können. Allen voran ist Karl Schulze Althoff zu danken, der uns die hier veröffentlichten Bilder anvertraute und zwischenzeitlich die Fotosammlung Börsting dem Bistumsarchiv Münster übergeben hat. So werden
Fotos aus seiner Kamera, deren Herkunft bislang unbekannt war, diesem in Zukunft eindeutig als Urheber zugeschrieben werden können. Digitalisierung und Bildbearbeitung übernahmen Odo Mayer (Stuttgart), Stefan
Jahn und Jacek Wozniczka (beide Münster). Sehr angenehm gestaltete sich die Zusammenarbeit mit dem Bistumsarchiv Münster, mit Gottfried Minkenberg, Dr.Horst Ruth und Barbara Steinberg. Wichtige Hinweise gaben
Prof.DDr.Thomas Sternberg (Akademie Franz-Hitze-Haus), Dr.Jürgen Krause (Westfälisches Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte), Dr.Markus Köster (Landesmedienzentrum Westfalen), Ingrid Lueb (Münster),
Bischof Dr.Reinhard Lettmann, Generalvikar Norbert Kleyboldt und Hans Bernd Serries (Collegium Borromaeum). Für die Mithilfe bei der Texterfassung und Korrektur ist Elke Surmann, Regina Schlenke, Sandra Müller
und Katharina Ost zu danken. Auch ist die gute Kooperation mit dem agenda Verlag, namentlich Dr.Bernhard Schneeberger, hervorzuheben. Nicht zuletzt konnte die Drucklegung aus Mitteln des Bistums Münster und des
Gottfried Wilhelm-Leibnitz-Preises unterstützt werden.
Münster, im Mai 2005, 1200 Jahre nach Gründung des Bistums und 60 Jahre nach Kriegsende Thomas Flammer – Hubert Wolf
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